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Der Coach der klugen Köpfe

Oct 29, 2020

Ein Artikel der Süddeutschen Zeitung | SZ-Serie: Gut ausgedacht, Folge 3

Alexandros Papaderos berät Wissenschaftler an der TU München zur Verwertung ihrer Erfindungen. Er muss dabei die Forscher vom Publizieren abhalten - und Entscheidungen über teils sehr teure Patentanmeldungen abwägen

Interview von Stefan Mühleisen

Eine Erfindung ist eine schöpferische Leistung, die im Kopf entsteht - und die fähigsten Köpfe arbeiten traditionell an den Universitäten, den klassischen Wirkstätten von Erfindern. An der Technischen Universität München (TUM) macht man sich schon lange Gedanken, ob und wie Forschungsergebnisse in Patente überführt und vermarktet werden sollen. Für diesen Technologietransfer braucht es Wissenschaftsmanager wie den Biologen Alexandros Papaderos, 51, stellvertretender Leiter des Hochschulreferats Forschungsförderung & Technologietransfer (TUM ForTe) an der TU München. Ein Gespräch über den Bewusstseinswandel unter Forschern, die Kosten für Patentanmeldungen und seine Lieblingserfindungen.

SZ: Herr Papaderos, Sie waren 2001 der erste Erfinder-Berater an der TUM. Wie hat sich Ihr Job seitdem verändert?

Alexandros Papaderos: Die Einstellung der Wissenschaftler hat sich deutlich geändert. Damals mussten wir erst einmal mit der Bewusstseinsbildung anfangen. Heute ist es für die meisten Forscher selbstverständlich, an die wirtschaftliche Verwertung ihrer Forschungsergebnisse zu denken. 2001 waren das etwa zehn Prozent, der Rest hat sich entweder halbherzig oder gar nicht für das Thema interessiert. Sie wollten primär ihre Resultate für ein Fachpublikum publizieren.

Doch damit hat sich ein Erfinder-Patent erledigt, stimmt's?

Eben. Damit man ein Patent bekommt, muss die Erfindung genuin neu sein, also weder der Allgemeinheit noch Fachleuten bekannt sein. Und sie muss gewerblich verwertbar sein. Schon nach einem Gespräch in einem größeren Kreis gilt die Idee als veröffentlicht und kann nicht mehr patentiert werden. Wir müssen in dieser Hinsicht sehr viel Aufklärung betreiben. Denn für einen Patentprüfer reicht schon ein halber Absatz in einem Aufsatz, und die Erfindung ist nicht mehr neu.

Wie viele Forscher kommen zu Ihnen mit einer Erfinder-Idee im Gepäck?

Vor 19 Jahren war ich allein zuständig und führte im Jahr etwa 25 Erstberatungen durch; heute hat der Bereich Patente und Lizenzen 15 Kollegen, ebenso viele sind im Bereich Gründungsförderung tätig. Wir haben circa 300 Erstberatungen zu Erfindungen pro Jahr, darunter gut 180 konkrete Erfindungsmeldungen. Ein Drittel davon stammt aus Kooperationsprojekten mit der Industrie. Wir sind also in 120 Fällen frei in der Entscheidung für die Patentierung und Verwertung. Daraus entstehen pro Jahr im Schnitt zwischen 40 und 60 Erst-Patentanmeldungen. Häufig kommt es auch vor, dass die Wissenschaftler selbst ihre Idee vermarkten wollen.

Die Forscher gründen dann selbst eine Firma. Wie oft kommt das vor?


In den letzten fünf Jahren hatten wir jährlich im Schnitt 70 bis 75 Ausgründungen. Das ist im internationalen Vergleich recht ordentlich. Doch prinzipiell sind Patentanmeldungen oft eine schwierige Abwägung.

Sie spielen gewiss auf die Kosten an. Eine Patentanmeldung kann ziemlich teuer werden, nicht wahr?


Genau. Die Entscheidung bei einer Patentanmeldung basiert zu 90 Prozent darauf, wie viel Geld damit mittelfristig verdient werden kann. Beim Rest riskieren wir es einfach, weil es um ein forschungsstrategisches Thema geht. Es fallen zunächst Gebühren für die Patentanmeldung an, zudem das Honorar für einen Patentanwalt. Einen solchen Profi sollte man bei einem derart komplexen Verfahren unbedingt hinzuziehen. Richtig teuer wird es, wenn nach einem Jahr die Entscheidung ansteht, ob man das Patent international anmeldet. Es gilt: je mehr Länder, desto teurer. Das kann bis zu 100 000 Euro kosten für zehn Länder. Nicht eingerechnet sind die Kosten für Übersetzungen oder auch Anwaltskosten, wenn man etwa juristisch gegen eine Patentverletzung vorgehen muss, oder wenn jemand klagt, weil angeblich sein Patent verletzt wird. Das Patent ist in der Regel 20 Jahre geschützt, doch manchmal muss man es nach fünf Jahren fallen lassen, weil es überholt ist.

Wie lassen sich diese Unwägbarkeiten auffangen?


Einerseits haben wir inzwischen sehr viele Erfahrungen gesammelt. Zudem treffen uns etwaige juristische Folgekosten nicht. Wir vermarkten das Produkt nicht selbst, sondern vergeben Lizenzen an inzwischen Hunderte Partner aus der Industrie.

Was bleibt von den Lizenzerlösen bei den Erfindern hängen?


Das Patent wird auf die TUM angemeldet, falls es um eine so genannte Diensterfindung geht. Der Erfinder ist verpflichtet, uns diese zu melden. Wenn wir eine Lizenz vergeben, bekommt der Erfinder per Gesetz 30 Prozent der Bruttoeinnahmen aus dieser Verwertung. Aus den restlichen 70 Prozent ziehen wir die Kosten für die Patentierung ab; 50 Prozent von dem, was übrig bleibt, bekommt der jeweilige Lehrstuhl.

Bitte geben Sie uns ein paar Beispiele, was die TU-Forscher alles erfinden.

Zum Beispiel ein Kühlsystem für Quantencomputer, ein Diagnostikum/Therapeutikum gegen Prostata-Krebs oder einen Flugdrachen, mit dem man Strom gewinnen kann.

Was ist Ihre Lieblingserfindung?


Meine Lieblingserfindungen haben eine gesellschaftliche Wirkung, etwa das Magnetresonaz-Bildgebungsverfahren, um das Geschlecht von Embryonen in Hühnereiern zu bestimmen. Das kann das sinnlose Töten von jährlich allein in Deutschland 45 Millionen männlicher Küken vermeiden. Toll finde ich auch unser Schacht-Kraftwerk, das man ohne großen Aufwand an kleinen Flüssen installieren kann.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Patente-Markt? Es wird oft gemunkelt, Unternehmen kauften Patente auf, um sie dann in die Schublade zu schieben.


Unsere Erfahrungen zeigen, dass ohnehin viele Unternehmen heutzutage den Grundsatz von Open Innovation verfolgen. Das heißt, Patente werden einlizenziert, damit sie tatsächlich genutzt werden. Es geht oft nicht mehr um exklusives Wissen, dass intern generiert wurde, sondern um die Finanzierung von Forschung, die Innovationen erzeugt. Da die Technologien so komplex geworden sind, ist es vorteilhaft für die Firmen, je mehr Experten sich damit befassen. Ein Patent zu halten, kann dabei nachrangig sein.

Die Serie wird in loser Folge fortgesetzt.

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